Quinta do Olival da Murta | Cadaval

[September 2020] Manchmal sind es Artikel in den Fachzeitschriften oder Weinblogs, die mich neugierig machen und "anfixen" den Weingütern einen Besuch abzustatten. Empfehlungen von Händlern oder Winzern (Luis Seabra zum Beispiel hat mir Antoninio Madeira und COZ empfohlen). Neuerdings auch durchaus Social-Media-Querverweise, manchmal sind es aber einfach die Weine, die derart viel Spaß im Glas und neugierig machen, dass ich mir sage: Da musst du mal vorbeischauen!  Bei der Quinta do Olival da Murta waren es gleich mehrere "Pogo auf dem Gaumen-Erlebnisse" ...

Der Serra Oca  Moscatel Graúdo 2018, die Besprechung ist hier nachzulesen ...

Der Serra Oca 2018 Branco, die Besprechung ist hier nachzulesen ...

Der Serra Oca 2017 Branco, die Besprechung ist hier nachzulesen ...


Serra Oca, onde se diz que se ouve o mar.

Sowohl die Weißweine der Quinta do Olival da Murta, der Serra Oca Branco und der Serra Oca Moscatel Graúdo, als auch der sortenreine Castelão haben mich im Sommer 2020 derart begeistert, dass ich mich im September dann riesig gefreut habe, dass es erstens geklappt hat mit dem Trip nach Portugal und zweitens dann auch (trotz laufender Vindima) sich ein Besuchstermin beim Weingut unkompliziert arrangieren ließ. Kaum angekommen empfing mich die sympathische Joana herzlich und es ging zuerst in die rund um Quinta gelegenen Weinberge. Die letzten Tage der Lese waren in vollem Gange ... 

Die Quinta do Olival da Murta, einst von dem Urgroßvater gekauft, wird heute von fünf Geschwistern /  Cousinen geleitet. Sie führen die Tradition fort, obwohl alle fünf keine gelernten Landwirte/Winzer sind. Joana beispielsweise ist studierte Archäologin. Mit Herzblut dem biologischen, nachhaltigen Weinbau verschrieben, werden auf dem weitläufigen Weingut mit rund 20 ha  Weinbergen neben den eigenen Weinen auch Trauben zum Verkauf an andere regional ansässige Bio-Winzer (COZ, Ermegeira, Domínio Vicari usw.) erzeugt. Zur Zeit des spanischen Urgroßvaters Vivas waren es einmal 100 ha Weinberge und so steht die Verkleinerung auch sinnbildlich für den Wandel in der Region von Quantität zur Qualität.

Es werden überwiegend rote Rebsorten angepflanzt, die Trauben werden per Hand gelesen. Zu 3/4 sind die Weinberge mit den Rebsorten Aragonez (Tempranillo), Castelão und Touriga Nacional bestockt. Der weiße Rest: Fernão Pires, Arinto, Moscatel Graudo. Joana lud mich zu einem Spaziergang ein, hoch auf die Hügel auf denen die Kräuter für die "Herbal Infusions" (Kräutertees) angebaut werden, die die Quinta ebenfalls im Portfolio hat. Oben vom Hügel bietet sich ein schöner Ausblick auf die sanften Hügel der Serra de Montejunto im Hintergrund und einen Überblick über das beeindruckend große Weingut, das nicht nur die Hausherren bewirtschaften. In den Wirtschaftsgebäuden geht es wie in einer großen (Wein-)Community zu ...

Das Anwesen ist so groß, es gibt Platz für Untermieter. Die Weinmacher António Marques da Cruz und Tiago Teles haben in einem der Gebäude die Adega für ihr gemeinsames Projekt Os Eternautas COZs eingerichtet. COZ, ihr wisst schon, dass sind die frischen, eleganten Weine von den Hängen der Serra de Montejunto. Die verschiedenen Produzenten ergänzen sich, tauschen sich aus und profitieren so von dem gemeinsamen Miteinander auf dem Anwesen der Quinta do Olival da Murta.

Tiagos und Antónios Rotweine reifen in Eiche, die Weißweine in Betontanks aus Italien. Der jüngste im Bunde, Francisco, hat Tiago per WhatsApp angefunkt, und so wurde bei der anschließenden Weinprobe der Serra Oca-Weine auch ein weißer, spritziger COZ Pop entploppt und mitverköstigt. Ganz herzlichen Dank für die tolle Geste.

Was die Quinta noch zu bieten hat? Noch mehr abgefahrene Untermieter: Zum Beispiel Luke, der mit seinen drei wilden Töchtern ab 2021 Naturweine und Apfel-Cider auf den Markt bringt: Daughters Of Madness

Zurück in der Adega waren Francisco und Önologe Rodrigo noch fleißig zugange, bevor es denn ans Eingemachte (zur Weinprobe) ging ...

Die"Prova" direkt in der Adega, inmitten der Barriques und Joana servierte einen würzigen Queijo aus der Region dazu und eine Tortilla española, was auch wieder stimmig ist, wenn man sich die spanischen Urgroßeltern ins Gedächtnis ruft, die einst das Weingut gründeten ...

Serra Oca  Moscatel Graúdo 2019

Uaauuuhh! Dafür bin ich gekommen. Wieder einmal schlanke 12 % Vol. Im offenen Tank vergoren, vier Tage Schalenkontakt. Die Muskatellernase plus einer geradlinigen Mineralität / Salzigkeit! Für mich bereits trinkreif, aber um dem hohen Anspruch der Winzer zu genügen, muss der "Branco" noch ein paar Monate in der Flasche nachreifen. Give it to me Baby, aha aha ...

 

Serra Oca  Castelão 2019

Brandneu, superfruchtig. Die volle Frucht präsentiert das junge Biest. Trinkfluss ohne Ende. Noch etwas unausgewogen, braucht noch etwas Flaschenreife. 

 

Serra Oca  Tinto 2014

Ein kraftvoller Tinto aus den Rebsorten Aragonez, Touriga Nacional und Castelão ...

 

Serra Oca  Tinto 2015

Wie zuvor, aber "maskuliner", die Tannine deutlich präsenter ...

 

Serra Oca  Tinto 2017

 Lediglich als "Tank Sample" im Glas. Super Jahrgang, sehr vielversprechend, aber noch zu unausgewogen, die Winzer geben dem  Rotwein aus diesem exzellenten Jahrgang noch ein bis zwei Jahre zum Nachreifen und "zur Ruhe kommen" bevor der Tinto vermarktet wird. 

Ganz links: Weinmacher Emanuel Frutuoso, den ich letztes Jahr auf dem Weingut von Rodrigo Felipe (Quinta de Paços | Humus) kennen gelernt habe.  Neuigkeiten: Seinen genialen Branco "Flui" macht er noch in der Adega der Quinta de Paços. Seinen zweiten Wein,  den "Safado", vinifiziert er bereits in seiner eigenen Adega. Ganz rechts: Rodrigo Martins, der Önologe der Quinta do Olival da Murta, unterstützt als Consultant weitere Produzenten in der Region (unter anderem die Quinta Várzea da Pedra, wie ich von Tomás weiß) und macht mit Espera Wines seine eigenen, authentischen Weine. Eine echt starke Truppe, die jungen Weinmacher aus der Region Lisboa, es gibt unglaublich viel Austausch, Querverbindungen und gegenseitige Unterstützung. Für mich ist das zur Zeit ohne Zweifel die dynamischste Weinbauregion Portugals! #oestepower 

Danke, super Team, super sympathetisch, super authentisch: Die Geschwister José, Joana und Francisco. Das gilt natürlich auch für Rodrigo und die Schmusebacke "Sol". Muito obrigado, für die Geduld und die Gastfreundschaft!


Beim Serra Oca  Moscatel Graúdo 2019, der voraussichtlich im Frühjahr 2021 auf den Markt kommt, habe ich mir vorsichtshalber eine Flasche für eine "neutrale" Nachverköstigung mitgenommen. Warum das ganze? Natürlich beeinflussen die "positiven Vibes" rund um die Weinverköstigung auf der Quinta die ad hoc-Beurteilung der einzelnen Weine.  Urlaub, Sonne, saunette ambitionierte Weinmacher, die sich um einen kümmern, lokale Leckerlis zum Wein, entspannte Atmosphäre. Dazu kam beim Moscatel Graúdo 2019 noch die Empfehlung von Tomás , dem Winzer von der Quinta Varzea da Pedra (mit dem ich mich im Vorfeld über den bevorstehenden Besuch ausgetauscht hatte), ich müsse den Moscatel Graúdo 2019 unbedingt probieren, der wäre dermaßen lecker!  So "geimpft" und mit "positiven Emotionen aufgeladen" kann dann "beim zweiten Mal" beim Wein der Glorienschein etwas weniger stark erstrahlen ...

Was bleibt vom Moscatel Graúdo 2019, all das "Lametta" ausgeblendet? Die Probe aufs Exempel bringt die "nackte Wahrheit": Ganz klar: Das typische Muskatbouquet, nach der Action in der Nase folgt am Gaumen eine ungewöhnliche Mischung aus jungem Pfirsich und grüner Paprika, dazu Kräuter. Knochentrocken, geradlinig am Gaumen, straffer Trinkzug, mineralisch-salzig! Mit einem Satz: Runtergebrochen auf den "nackigen Wein" schmecke ich einen großartigen Muskateller, der sich dadurch abhebt, dass er nicht nur durch seine Muskataromen und durch florales Chichi für die Terrasse taugt, sondern dass da wieder ein feingliedriger, aber kraftvoller Speisenbegeleiter daherkommt, der 2021, ich lehne mich da jetzt bereits mächtig weit aus dem Fenster, sich unter den 10 besten Brancos Portugals wiederfinden wird! Großes Kino!


  • ZITAT "Was die Quinta noch zu bieten hat? Noch mehr abgefahrene Untermieter: Zum Beispiel Luke, der mit seinen drei wilden Töchtern ab 2021 Naturweine und Apfel-Cider auf den Markt bringt: Daughters Of Madness"

Schöner, feinperliger Apfelcidre. 6 % ABV. Bretonischen Cidre trinkt man aus der Tasse, ich habe mich beim portugiesischen Cider für ein Weinglas entschieden. Und für ähnliche Temperaturen wie beim Branco - wobei der Hard Cider mir am besten bei 12 - 14°C geschmeckt hat, weil dort die Aromenvielfalt am besten rüberkam. Das haben Lukes Töchter gut hinbekommen. Und Joanas Artwork ist vom feinsten! Ich freue mich auf die Naturweine, die da 2021 kommen werden ...


Ein "Orange" der konstant über die Jahrgänge hinweg liefert: Großartig! 



Über mich ...

 

Weinliebhaber mit engem Bezug zu Portugal. Beruflich habe ich keine Berührungspunkte mit dem Wein-Business.  Insofern schreibe ich unabhängig über  portugiesische Weine als reine Liebhaberei. Anregungen, Fragen? Gerne: frank@vinhoportugal.de

 

 

Alles über die Vielfalt der portugiesischen Weine auf www.vinhoportugal.de oder im Rahmen der größten deutschsprachigen Community rund um das Thema "Portugal" auf www.portugalforum.org