[März 2016] Auf die ca. 50 km nördlich von Lissabon gelegene Quinta do Gradil bin ich bereits 2012 oder 2013 aufmerksam geworden. Nicht nur die vielversprechenden Tasting Notes in den portugiesischen Weinfachzeitschriften, sondern besonders die malerische Lage des Weinguts an den Ausläufer der Serra de Montejunto und die emblematische Ruine des ehemaligen Palast des Marquês de Pombal die zum Quintaanwesen gehört, haben mein Interesse geweckt.
Den entscheidenden Kick, der Quinta einen Besuch abzustatten, hat dann die Auszeichnung Empresa do Ano 2015 (Unternehmen des Jahres 2015) gegeben. Diese Ehrung macht im portugiesischen Weinbusiness schon was her.
Quinta do Gradil ist ein bedeutender Teil der PARRAS Gruppe, die portugalweit Weine vermarktet, mit weiteren eigenen Estates am Douro und im Alentejo und einer großen Flaschenabfüllung in Alcobaça.
Nach dem Erwerb der Quinta umfasst das Engagement von PARRAS drei Schritte: Die Neubestockung der Weinberge (1999 erfolgt), die Modernisierung der Adega (im Gange) und (in Planung) die Restaurierung des ehemaligen Palasts zur Nutzung als Restaurant mit ausreichend Möglichkeiten Tagungen, Events u.ä. veranstalten zu können.
Auf den 120 ha Weinbergen wachsen 22 verschiedene Rebsorten. Diese Vielfalt aus einheimischen und internationalen Reben präsentiert die Diversität des portugiesischen Weinbaus sowie das Potential der Region Lisboa mit ihren kalksandsteinhaltigen Lehmböden und ihrer Nähe zum Atlantik.
Die Quinta do Gradil erzeugt drei Linien: Castelo do Sulco als Einsteigerwein, in der Mitte rangiert Mula Velha und die „topo de gama (top end)"-Weine tragen das Quinta do Gradil-Label.
Neben Wein produziert die Quinta auch noch Agrarprodukte wie z.B. feine Olivenöle, Weinbrand und Marmelade. Alle Produkte kann man 7 Tage die Woche direkt im gutseigenen Laden (Loja) erstehen.
Unser Besuch ging los mit einem kurzen Abstecher zu den Weinbergen und einem Besuch der Adega, die uns der Wine Tourism Manager, Bruno Gomes, im Detail erklärte. Das Weingut verfügt über 100 (!) Betontanks, die ebenso wie die großen VA-Edelstahlaußentanks als Lagertanks genutzt werden.
Klar, hier werden großen Einheiten aufgelegt, aber auch liebevoll Kleinchargen hergestellt: Weine aus in der Region eher exotischen Rebsorten (z.B. Tannat oder zukünftig auch Alvarinho) aber auch Spätlesen (Colheita tardia).
Nach dem Rundgang folgte eine Verköstigung von je zwei Rot- und Weißweinen der Quinta do Gradil-Linie. Los geht es, schauen wir mal, was die beiden Önologen António Ventura und Vera Moreira so ins Glas zaubern ...
Quinta do Gradil Viosinho 2015
Der neue Jahrgang, jüngst erst abgefüllt (vor 3 Wochen), mit frisch-spritziger Säure, noch leicht grünen Noten, feiner Limettenfrische und einer schönen Mineralität. Kostet rund 7 EUR/FLasche in Portugal
Quinta do Gradil Branco Reserva 2014
70 % Chardonnay und 30 % Arinto. 3 Monate in französischer Allier-Eiche ausgebaut. Schmelzig-elegant. Eher ein Wein für die Gastronomie als für die sommerliche Party. Toll gemacht! Kostet 9,50 EUR/Flasche im Direktverkauf.
Quinta do Gradil Cabernet Sauvignon & Tinta Roriz 2014
Ein Roter, ausschließlich im Stahltank ausgebaut aber trotzdem mit runden Tanninen. Florale Noten springen einen in die Nase. Kräftiges rot-violett. Es empfiehlt sich den Wein zu dekantieren oder ihn eine halbe Stunde "atmen zu lassen". Kostet 5,00 EUR/Flasche im Direktverkauf und wird auf der Grillparty nicht nur den Ladies gefallen.
Quinta do Gradil Tinto Reserva 2010
Ein großer Rotwein aus den Rebsorten Touriga Nacional, Syrah und Alicante Bouschet. Rubinrot im Glas, ausgewogen und komplex am Gaumen. Im offenen Stahllagar fußgetreten,14 Monate in französicher Eiche ausgebaut. Kostet rund 10 EUR/Flasche in Portugal.
Vom Quinta do Gradil Branco Reserva 2014 haben wir auf Empfehlung von Bruno etwas im Glas behalten um den Weißen am Ende des Tastings noch einmal nachzuverköstigen: Zwei Grad mehr und etwas Sauerstoffkontakt bringen die Aromen viel besser zur Geltung als frisch aus dem Kühlschrank!
Nach der Verköstigung ging es ins Restaurant der Quinta ...
Im leger-geschmackvoll eingerichteten Ambiente erwarte uns ein Weinmenü zu dem sich der Exportmanager von PARRAS Vinhos, David Rego, zu uns gesellte. Es entwickelte sich eine angeregte Unterhaltung. Die Gruppe exportiert bereits in 31 Länder und Deutschland zählt für David zu den fünf Ländern in denen sich Parras die größten Expansionschancen für ihre Weine ausrechnet.
Aber natürlich wurde nicht nur gefachsimpelt, sondern auch geschlemmt als die vom jungen Chefe Daniel Sequeira zubereiteten Gaumenfreuden auf den Tisch kamen ...
Es begann mit einer frischen Vorspeise die mit dem Quinta do Gradil Sauvignon Blanc & Arinto 2015 serviert wurde. Der Wein präsentierte sich mit der typischen Duftigkeit einer Sauvignon Blanc und der frischen Säure der Arinto bei gerade einmal 12,50 % Vol. Alkohol. Sehr fruchtig, tolle Nase, sehr leichtfüßig. Ganz großes Gaumenkino!
Zum Hauptgang, superzarte Pork Cheeks, wurde ein Quinta do Gradil Tinto Reserva 2014 gereicht. Noch ganz jung, aber viel fruchtiger als der 2010er. Dem jungen Rotwein sage ich ebenso wie dem jungen Chefkoch ein große Karriere voraus ...
Zum Nachtisch gab es ein spongig-fluffiges Schoki-Törtchen mit flüssigem Kern und frischen Erdbeeren. Dazu ein starker Bica (Espresso) und zum abrunden wurde uns ein Glässchen Quinta do Gradil Aguardente XO gereicht. Dieser Aguardente Velha ist mal was ganz besonderes - 1970 destilliert und dann über 40 Jahre in großen Eichefässern gelagert. Mild, ausgewogen, rund im Geschmack. Wahnsinn. In der März 2016-Ausgabe der Revista de Vinhos gibt es - wieder Zufall will - eine ausführliche Reportage über "Destilados", alte portugiesische Weinbrände. Der Quinta do Gradil Aguardente XO wurde mit stolzen 18 Punkten bewertet. So ein besonders alter Tropfen hat aber einen stolzen Preis: 125 EUR/Halbliterflasche.
Ein genialer Abschluss zu einem fantastischen, die Geschmackssinne anregenden Weinmenü!
Beeindruckt hat mich der Besuch nicht nur mit überaus schmackhaften Essen und dem stimmigen Wine-Food-Pairing, sondern mit dem professionell-ganzheitlichen Herangehen an die Vermarktung der Weine.
Die Quinta bietet das volle Enoturismo-Portfolio: Weingutbesuche, Weinproben, Gastronomie, regionale Produkte, Mitmachevents bei der Weinlese, Biking-Touren durch die Weinberge, Weinseminare etc.
Jüngst erst hat Bruno ein Weinseminar abgehalten, das ausschließlich von Frauen gebucht werden konnte. Zutreffender Hintergrund: Meist sind es ja wir Kerle, die mit ihrem Weinwissen (oder Halbwissen ) prahlen, den Ton angeben und z.B. im Restaurant den Wein auswählen. Im Seminar, das übrigens ruckzuck ausgebucht war, konnten sich dann die interessierten Mädels ungestört austauschen und fortbilden.
Ein ganz großes muito obrigado an Bruno und David für die Aufmerksamkeit, Geduld und Liebenswürdigkeit mit der wir in netter Atmosphäre empfangen wurden!
Eine kurze Story hätte ich noch zu unserem fulminanten Mittagessen im Restaurante der Quinta do Gradil nachzureichen ...
Zum Ende unserer köstlichen Mahlzeit gesellte sich an unseren Tisch noch die "bloggende Elite" zum Thema Portugal im Allgemeinen und zu "Food and Wine-Travels" im Besonderen:
Julie Dawn Fox von Julie Dawn Fox in Portugal
Anita Breland von Anita´s Feast (die perfekt deutsch spricht)
Tom Falker von Tom Fakler Photography
Patrícia Canedo von Singulartrips
Das haben Bruno und David geschickt eingefädelt. Schade, dass für uns keine Zeit mehr blieb, mit dem vorgenannten "Kompetenzteam" ausführlicher über unsere gemeinsame Leidenschaft zu plaudern. Für mich war es jedenfalls ein spannender und überraschender Tag.
Im Shop habe ich beim Quinta do Gradil Sauvignon Blanc & Arinto 2014 zugeschlagen: Da gibt es nicht zu mäkeln, das ist ein fantastischer, leichter Sommerwein mit Aromen von Gras und Stachelbeeren und einer wunderbaren Spritzigkeit, die die Arinto beisteuert.
Und das schreibt Julie Dawn Fox u.a. über den Besuch und die Weine der Quinta do Gradil : WINE TASTING IN A WINDMILL IN THE WEST OF PORTUGAL
Auch in der "Nachverköstigung": Ein angenehmer "Kaminwein" ...
Noch etwas verschlossen, der 2016er MULA VELHA SIGNATURE. Beeren und leicht Toast, obwohl nur drei Monate im Holz.
Ein Rotwein aus den Rebsorten Touriga Nacional, Alicante Bouschet, Aragonez und Syrah, dem man noch etwa Zeit im Keller gönnen sollte ...